Neues aus der BVfK-Rechtsabteilung:
Keine generelle Untersuchungspflicht des Händlers
Reichweite der „Sichtprüfung“ von hereingenommenen Fahrzeugen
Da wir in vergangenen Wochen mehrfach von unseren Mitgliedern gefragt worden sind, ob ein KfZ-Händler ein Gebrauchtfahrzeug vor dem Verkauf untersuchen muss und wenn ja, in welchem Umfang, möchten wir über etwaige Pflichten des Händlers in diesem Zusammenhang informieren.
Laut der Rechtsprechung des BGH trifft den Gebrauchtwagenhändler keine generelle Pflicht, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Nach seiner Auffassung hat eine Untersuchung aber dann zu erfolgen, wenn besondere Umstände einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen. Danach ist der Händler grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung, sprich einer Sichtprüfung, verpflichtet. Das Resümee der Rechtsprechung des BGH lautet daher: Die Sichtprüfung ist die Regel, eine Untersuchung die Ausnahme.
Demnach sollte der Händler bei jedem Gebrauchtwagen eine Sichtprüfung vornehmen, unabhängig vom Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs und unabhängig davon, ob der Händler über eine eigene Werkstatt verfügt oder nicht. Für den Fall, dass der Händler an dem Fahrzeug vor Verkauf keine Sichtprüfung vorgenommen hat, sollte er gerade einen privaten Käufer über diesen Umstand ausdrücklich in Kenntnis setzen. Anderenfalls läuft er Gefahr wegen einer Aufklärungspflichtverletzung in Anspruch genommen zu werden.
Die Formulierung des BGH „fachmännisch äußere Besichtigung“ darf aber nicht dahingehend verstanden werden, dass das Fahrzeug dann nur von außen besichtigt werden muss. Da der BGH den Begriff der äußeren Besichtigung bis heute nicht näher konkretisiert hat, sollte sich die Sichtprüfung, allein schon zur Sicherheit des Händlers, auch auf den Innenraum, den Motor und auch den Kofferraum beziehen.
Die in diesem Zusammenhang spannende Frage, ob auch der Unterboden zu einer ordnungsgemäßen Sichtprüfung dazugehört, kann nach der Opel Zafira Entscheidung des BGH mit „im Zweifel ja“ beantwortet werden. In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein KfZ-Händler einen 13 Jahre alten Opel Safira vor dem Verkauf durchgesehen und an den Bremsleistungen nur leichten vordergründigen Rost festgestellt. Im Übrigen hat der Händler zu seiner Verteidigung vorgetragen, sich auf die Hauptuntersuchung verlassen zu haben. Das OLG Oldenburg, als Vorinstanz zum BGH, verneinte hier eine sorgfältige Sichtprüfung. Nach Auffassung des OLG gehören somit der Unterboden und die dort sichtbaren Bauteile, wie z.B. die Bremsleitungen, zu einer ordnungsgemäßen Sichtprüfung dazu. Der BGH hat dies zwar nicht ausdrücklich bestätigt, dem aber Händler Fahrlässigkeit vorgeworfen. Nach Auffassung des BGH muss der Händler, wenn er sich den Unterboden anschaut, auch richtig hingucken. Denn in diesem Fall hätte er die erhebliche Korrosion an den Bremsleitungen erkennen können.
Nach dem Besagten sollte der Händler im Rahmen der Sichtprüfung bei Gebrauchtfahrzeugen folgende Fragen im Rahmen einer Checkliste beantworten:
• Sind an dem Fahrzeug Beulen oder Dellen vorhanden, die auf einen Anstoß- oder Unfallschaden schließen lassen?
• Sind an dem Fahrzeug Lack- oder Farbtonunterschiede erkennbar, die auf eine Nach- oder Neulackierung hindeuten?
• Wie sind die Spaltmaße des Fahrzeugs? Sind Spachtel- oder sonstige Reparaturstellen erkennbar, die auf eine Instandsetzung der Karosserie schließen lassen?
• Haben an dem Fahrzeug Um- oder Nachrüstungsarbeiten stattgefunden, sodass die Gefahr des Wegfalls der Allgemeinen Betriebserlaubnis besteht?
• Hat eine Prüfung von sicherheitsrelevanten Bauteilen wie Lenkung und Bremsen bei einer Probefahrt stattgefunden?
Zu guter Letzt stellt sich die daran schließende Frage, wie der Händler sich nach einer durchgeführten Sichtprüfung zu verhalten hat. Das hängt entscheidend davon ab, zu welchen Ergebnis er bei einer solchen gelangt:
Die Sichtprüfung liefert keine Anhaltspunkte für einen Mangel
Ohne konkreten Hinweise auf einen Mangel, ist der Händler zu weiteren Nachforschungen nicht verpflichtet. In einer solchen Konstellation kann der Händler das Fahrzeug verkaufen und braucht keine Sorge zu haben, wegen eines etwaigen Verschuldens bei der Sichtprüfung des Fahrzeugs in Anspruch genommen zu werden.
Die Sichtprüfung liefert einen konkreten Verdacht auf eine Mangelhaftigkeit
Bei einem konkreten Verdacht auf die Mangelhaftigkeit muss das Fahrzeug nach der o.g. Rechtsprechung des BGH untersucht werden. Das gleiche gilt natürlich auch, wenn der Händler unabhängig von der Sichtprüfung Kenntnis von einem Mangel wie z.B. durch eine Angabe des Vorbesitzers erlangt. Welche Maßnahmen der Händler bei einem konkreten Verdacht zu veranlassen hat, hängt sicherlich von dem jeweiligen Ergebnis ab. Zusammenfassend kann man aber sagen, dass der Händler in einer solchen Fallkonstellation alles Mögliche und Zumutbare unternehmen muss, um die Sache aufzuklären.
Händler beabsichtigt den Verkauf eines Fahrzeugs trotz Verdachts auf Mängel, ohne weitere Überprüfung
Der Händler, der ein Fahrzeug ungeprüft trotz bestehenden Verdachts verkaufen will, sollte den Käufer über den vorhandenen Verdacht und darauf, dass eine Überprüfung nicht stattgefunden hat, ausdrücklich, am besten schriftlich, aufklären, wie zum Beispiel: Es besteht der Verdacht auf einen Unfallvorschaden, eine nähre Überprüfung hat diesbezüglich nicht stattgefunden.
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